Montag, 5. Dezember 2011

Weihnachten mit Oma von Eva Markert


Am Nachmittag des 23. Dezember, wenn Oma kam, fing Weihnachten immer an.
Vater hatte den Baum schon in den Ständer gestellt, bevor er zum Bahnhof fuhr, um sie abzuholen. Nach dem Kaffeetrinken ging es dann ans Schmücken.
Jens und Markus seufzten. Sie hatten nicht die geringste Lust, Kugeln und allerlei anderen Krimskrams in die Tanne zu hängen. Aber Oma bestand darauf, dass alle mithalfen. „In unserer Familie haben wir den Baum immer gemeinsam geschmückt“, sagte sie.
Zum Schluss wurde das Goldlametta verteilt.
„Oma“, protestierte Jens. „Lametta, das ist doch mega out.“
„Und schlecht für die Umwelt, habe ich mal gehört“, fügte Markus hinzu.
Aber Oma ließ das nicht gelten. „In unserer Familie haben wir immer Goldlametta verwendet“, erwiderte sie, und damit war das Thema für sie erledigt.
In Omas Familie gab es auch immer Karpfen am Heiligen Abend. Deshalb stand Mutter schon nachmittags in der Küche und Fischgeruch zog durch die ganze Wohnung.
Abends, am Tisch, zog Markus ein Gesicht. „Ich mag keinen Karpfen.“
„Geht mir genauso“, brummte Jens.
„Ich möchte Kartoffelsalat mit Würstchen“, quengelte Anna, ihre kleine Schwester.
Oma schaute vorwurfsvoll in die Runde. „Aber Kinder, ihr habt ja keine Ahnung, was gut ist.“
Die Jungen warfen ihrer Mutter einen Blick zu. Sie wussten, dass die auch keinen Fisch mochte. Aber sie schwieg.
„Ich finde Karpfen vollkommen in Ordnung“, mischte sich Vater ein. Der Ärmste! Er kannte ja von klein an nichts anderes. Oder wollte er seiner Mutter nur nicht widersprechen?
Das war nämlich das Seltsame: Oma schimpfte nie. Sie war auch niemals beleidigt oder böse. Und dennoch. Aus irgendeinem Grunde tat jeder, was sie wollte. ...

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