Dienstag, 17. Dezember 2013

Sternenzauber von Anke Kopietz


Nicky

Er lief durch die Straßen, ärgerlich mit sich selber. Kickte `ne Blechdose vor sich her. Es schepperte und hallte. Ihn störte das nicht. Er hörte es gar nicht.

Frau Steegen stand in ihrer Haustür und schaute ihm kopfschüttelnd „aber Nicky!“, rufend, nach.

Verwundert ging sie wieder ins Haus. Was war mit Nicky los? Er war doch sonst immer der erste, der grüßte? Hmmm!!


Er sah und hörte sie nicht. Er war mit sich und der Welt, so was von, unzufrieden. Und er war unglücklich!!
Nichts klappte. Er war erwischt worden. So ein Ärger aber auch!! Ausgerechnet! Tränen traten in seine Augen. Er schniefte, wischte sich die Feuchtigkeit weg und setzte einen trotzigen Blick auf.
Nie würde er zugeben, dass er weinte!!!
Aber, das  half ihm auch nichts. Er war ja gar nicht trotzig. Nein, er war im Moment nur traurig.

Er war maßlos traurig,  Er kam zum Spielplatz und suchte sich seine Geheimecke, die dicht umschlossen war mit Kirschen -und Heckenrosendickicht.
Hier konnte er sich selber Loslassen, sich Hängen lassen und er heulte wie ein Schlosshund los. Hier hörte und sah ihn keiner. Hier konnte er der sein, der er wirklich war.

Mist, dass seine Eltern ihn entdeckt hatten. Er schniefte, aber was sollte er machen? Nun waren sie weg. Seine drei kleinen Lieblinge. Sie hatten sie genommen und ins Tierheim gebracht. Er weinte leise, weiter in sich hinein.
Es fing alles so gut an. Er hatte alles so gut im Griff.
Ja, das hatte er gedacht, aber es kam alles ganz, ganz anders.


Er hatte die kleinen Kätzchen am Waldrand entdeckt. Durch Zufall!! Er war auf seiner Räubertour unterwegs. Heute mal allein. War ja auch nicht schlecht, so konnte er schon mal gute Verstecke suchen und wäre dann, wenn er mit den anderen wieder spielte, im Vorteil…

Da hörte er sie! Sie fiepten. Es war nur ein ganz leiser Ton. Aber, von mehreren. Er hörte es gleich, schob das Dickicht zur Seite und da sah er sie!  Drei kleine Kätzchen. Sie konnten schon stehen und krabbelten umeinander, so als suchten sie Wärme und ihre Mutter.

Er beugte sich zu ihnen. „Hallo, meine Kleinen“, flüsterte er ihnen zu, „ was macht ihr denn hier, so ganz allein?“ Er nahm eins hoch und sofort fing es an bei ihm zu suchen. Kläglich war das Fiepen und sein Herz schlug höher.

Sie waren hier wohl möglich ausgesetzt worden? Denn es war weit und breit niemand zu sehen. Er erhob sich und schaute sich um. Nein, kein Mensch da. „Hallo!!!“, rief er, aber es kam kein Echo.


Wieder ging er in die Knie und nahm das nächste hoch. Sie drängten sich aneinander und schrieen kläglich. Er nahm das dritte hoch und hatte kaum mehr Platz in seinem Arm.

Sie waren bezaubernd. Eines in schwarz mit einem kleinem weißen Lätzchen, eines gefleckt in schwarz weiß mit etwas grau und das letzte ganz schwarz.

Kurz entschlossen setzte er sie runter, öffnete seinen Anorak, steckte seinen Pullover in die Hose und  nahm eines nach dem anderen hoch und in seinen Pullover mit rein.
Himmel! Das war ein Gefühl!!! Es kitzelte höllisch, denn sie krabbelten und schoben sich gegenseitig.

Der Pullover war groß genug, aber die drei zappelten und fiepten, bis sie sich ganz dicht  an ihn kuschelten. Sie spürten sogleich, wie schön warm es bei ihm war und fingen leise an zu Schnurren!

So, nun stand er da. Was sollte er machen?

Nach Haus? Das ging nicht. Seine Mutter mochte keine Katzen. Sie wäre im Dreieck gesprungen wenn er sie mitgebracht hätte!!

Unschlüssig stand er da und überlegte. Wie magisch zog ihn dann die Scheune vom Nachbarn Ketsch, an.
Er kannte sie in und auswendig, hatte so oft und viel darin gespielt. Er ging hinein mit seiner schnurrenden Last und suchte erst einmal einen großen Pappkarton.
Nicht zu groß, aber auch nicht zu klein.
Ganz hinten fand er einen passenden. Er polsterte ihn mit Stroh und alten Kartoffelsäcken  aus.

Immer noch mit den kleinen Kätzchen unterm Pullover! Man oh Man, das war nicht einfach.
Endlich hatte er alles soweit und setzte die Kleinen rein.
Sie fingen sofort wieder an zu wimmern und suchen. Tja, Was nun? Ob sie schon alleine Trinken, Essen konnten? Er hatte keine Ahnung und konnte ja auch niemanden fragen.
Leise schlich er sich nach Hause und ging ins Haus. Holte in einem Becher etwas Milch und einen kleinen Teller.
Er musste verdammt leise sein, denn seine Mama hatte „Fledermausohren“!

Ich muss es probieren, dachte er, aber, das war gar nicht so einfach. Die Kleinen kannten das  offensichtlich noch nicht.
Sie tapsten über den Teller. Nicky stupste sie mit der kleinen Schnauze in die Milch, aber es war vergebens. Es klappte nicht! Himmel! Was sollte er machen. Das war vielleicht schwierig!

Hm, er überlegte. Sauste ins Haus, holte sein Taschengeld und flitzte zum Laden, zu Frau Meier. Lesen konnte er schon ganz gut. Er war schließlich schon in der zweiten Klasse.
Er fand Katzenmilch und Babykatzennahrung.

Hm, ich mische es, dachte er, vielleicht klappt es damit…

Die vermischte Pampe, ja, die leckten sie begierig von seinen Fingern ab. Oft musste er seinen Finger in das kleine Mäulchen stecken, bis das Kätzchen es kapierte, aber so langsam mit ganz viel Geduld, funktionierte es doch.

Es dauerte eine ganze Weile, bis die drei kleinen Bündel satt waren. Sie machten noch ein kleines Geschäft. Hm…. Er nahm sein Taschentuch und wischte es sauber, so gut es ging. 
Na klar, gab er ihnen auch sogleich ihre Namen. Das schwarz/weiß gefleckte hieß Mirabelle, das mit dem weißen Lätzchen und grau, hieß für ihn, Klecksie und das ganz schwarze, war Jackie.
Ach, sie waren alle drei zu niedlich!

Die drei suchten sich fiepend, kuschelten sich gegeneinander zusammen, wärmten sich und schliefen satt und ruhig ein.

Es war schon bitter kalt. Ende November, also legte er noch einen Kartoffelsack über den Karton. So, nun würden sie wohl nicht mehr frieren und konnten auch nicht aus dem Karton raus, denn der war sehr hoch und ziemlich glatt von innen.



  Ehem!“! Eine Stimme erhob sich plötzlich neben ihm. Erschrocken fuhr Nicky auf. Es war Herr Ketsch! „Was machst Du hier?! Nicky, was hast du da?“

Nicki wurde gaaanz klein. Aber, das nützte ihm auch nichts.

„Ich, ich  habe die gefunden. Ich wusste nicht wo ich sie lassen sollte!“ Bittend sah er den Nachbarn an. Doch es half nichts.

„Das geht hier nicht so! Die können hier nicht bleiben. Die musst du mit nach Hause nehmen!“

„Das darf ich nicht“, wisperte Nicky zurück, „meine Mutter mag keine Katzen!“

Herr Ketsch wurde in Nickys Augen zunehmend größer.

„Du  musst sie mit rüber nehmen“.

Er dreht sich um und ging rüber dem Haus zu, wo Nick wohnte.

Nicky sackte zusammen. Es war vorbei!!!
Er nahm die Kleinen wieder an seine Brust und spürte wie sie sich wohl fühlten. Es ist aus! dachte er, es ist vorbei!!

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