Montag, 7. Dezember 2015

Meine Tochter – deine Tochter von Annette Paul



Bild von Krisi Sz.-Pöhls
„Nein, Melanie wird nicht kommen“, wütend warf Susanne den Hörer auf die Gabel. Dieser Spinner, erst ließ er sie wegen einer jüngeren Kollegin sitzen und jetzt sollte sie auch noch alleine Weihnachten feiern. Er hatte doch seine neue Familie, reichte die ihm nicht?
„Was ist los, Mama?“ Melanie schaute schüchtern in das Wohnzimmer, das Susanne nachts als Schlafzimmer diente. Ihr großes Haus hatten sie verkaufen müssen.
„Papa will, dass du Weihnachten zu ihm kommst“, presste Susanne hervor.
„Und du möchtest, dass ich bei dir feiere.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Susanne nickte. „Papa hat Sylvia und die beiden Kleinen.“
Melanie zwirbelte eine Haarsträhne, schließlich landete das Haar im Mund und sie knabberte daran herum. „Warum muss ich immer dazwischen stehen“, seufzte sie.
„Schatz“, Susanne stand auf und nahm Melanie in die Arme. „Was möchtest du? Du bist alt genug, um es zu entscheiden.“ Sie drückte ihre Tochter. „Es tut mir leid, dass ich so egoistisch bin.“
„Er hat dir wehgetan. Aber er ist immer noch mein Vater.“
„Selbstverständlich sollst du den Kontakt zu ihm behalten. Deshalb fährst du regelmäßig in den Ferien zu ihm.“
Melanie grinste. „Nur Weihnachten nicht.“
„Wenn du möchtest.“ Susanne schluckte. Es hatte keinen Sinn, Melanie zu zwingen. Mit ihrem Ex konnte sie nicht mithalten. Er führte seine große Tochter ins Theater und Musical. Er schenkte ihr einen Laptop und teure Markenkleidung.
Susanne schaute sich im Zimmer um. Nur ihre Bettcouch hatte sie selbst gekauft. Alles andere waren Dinge, die ihre Freunde und Verwandten aussortiert hatten. Natürlich erhielt sie keinen Unterhalt mehr, Melanie war schon so alt, dass sie wieder arbeiten ging. Nur fand sie als Wiedereinsteigerin keine gut bezahlte Festanstellung. Melanie sollte nicht darunter leiden, und auf keinen Fall auf ihren Gitarrenunterricht und die Reitstunden verzichten.
Am nächsten Abend meinte Melanie: „Ich fahre erst am 27. Dezember zu Papa.“
„Aber du wolltest mit Nicole Silvester feiern?“ Susanne plagte sofort ihr schlechtes Gewissen.
„Ich komme am 31. zurück. Die sind froh, wenn sie mich wieder los sind, obwohl sie immer so tun. Außerdem habe ich mir zwei Karten für das neue Musical gewünscht. Da können wir gemeinsam hingehen. Braucht Papa ja nicht zu wissen.“

© Annette Paul



Annette Paul schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren Kurzgeschichten und Kindertexte, gern etwas zum Schmunzeln. Von ihr sind folgende Weihnachtsbücher: "Der ganz normale Weihnachtswahnsinn", "Ratte Prinz im Weihnachtsbaum", "Weihnachtsmann im Weihnachtsstress" und "Weihnachtsmann hat noch mehr Stress".
Mehr von und über Annette Paul auf Probeschmökern bei Annette Paul.
Siehe auch die Autorenseite von Amazon.


Krisi Sz.-Pöhls lebt recht zurückgezogen in Oppenheim am Rhein.
Malen gehört seit ihrer Kindheit zu ihren Hobbys. Mittels Fortbildungen ist die Autodidaktin Künstlerin geworden.
Mehr von ihr auf ihrer Homepage www.salidaswelt.com
oder bei  www.zazzle.de/mbr/238764950947258943