Dienstag, 29. November 2016

Der hässliche Weihnachtsbaum von Britta Kummer





Wie jedes Jahr wollte Familie Sorglos, bestehend aus Vater, Mutter und Klein-Ida, gemeinsam einen Weihnachtsbaum für das bevorstehende Weihnachtsfest kaufen. Das war schon Tradition, nur diesmal waren sie von der Zeit her sehr spät dran und die meisten Weihnachtsbäume bereits verkauft. Eine Baumschonung, in der man seinen eigenen Baum schlagen konnte, gab es in der Nähe nicht. Also mussten sie sich darauf hoffen, dass die Verkäufer in der Stadt noch welche hatten. Kein Baum gefiel Familie Sorglos, entweder war er zu klein oder zu krumm gewachsen oder sie hatten irgendetwas anderes an den Bäumen auszusetzen. Als sie beim letzten Baumhändler ankamen, sahen sie, dass dieser nur noch einen Baum hatte, an dem überhaupt nichts Schönes zu erkennen war.
Er war sehr klein, hatte nur vereinzelte kleine Zweige und die Baumspitze zeigte zur Seite. Aber aus welchem Grund auch immer, Ida mochte diesen Baum und fand ihn wunderschön.
„Papa, das ist genau der richtige Baum für uns“, sagte sie zu ihrem Vater. „Ich weiß es genau.“
„So ein Baum kommt mir nicht ins Haus“, erwiderte er. „Bevor der aufgestellt wird, gibt es dieses Jahr zu Weihnachten überhaupt keinen.“
Ida schaute ihren Vater entsetzt an. „Weihnachten ohne Weihnachtsbaum ist doch kein richtiges Weihnachten“, sagte sie trotzig. „Bitte überleg es dir noch einmal.“
„Nein, da gibt es nichts zu überlegen.“
Ida fing an zu weinen. Die Tränen liefen ihr über die Wange. Sie konnte sich ein Weihnachtsfest ohne Baum nicht vorstellen. Er gehörte für sie dazu und es war für sie immer etwas Besonderes, ihn liebevoll zu schmücken. Doch der Vater blieb hart. Ida weinte immer mehr, bis sich schließlich die Mutter zu Wort meldete.
„Denk an die Kleine. Willst du ihr das ganze Fest verderben? Das willst du doch nicht“, sagte die Mutter. „Du weißt genau, wie glücklich sie jedes Jahr mit ihrem Baum ist.“
Der Vater dachte nach, ließ sich schließlich erweichen und der Baum wurde gekauft.
Ida konnte es kaum erwarten, bis sie zu Hause waren. Sie freute sich so sehr auf das Schmücken, sodass sie die Eltern während der ganzen Rückfahrt nervte, sie sollten sich beeilen. Zu Hause angekommen wurde er in den Ständer gestellt, aber er sah auch dort nicht besser aus.
„Das kriegst du nie hin, dass der schön aussieht, selbst mit Schmuck wird er immer hässlich bleiben, glaub es mir“, sagte der Vater zu seiner Tochter. „Ich wünsche dir viel Spaß dabei, aber lass mich bitte mit dem Schmücken in Ruhe. Du wolltest dieses Ding und jetzt bist du auch dafür verantwortlich, wie er später aussieht. Ich will damit nichts zu tun haben.“
Das Mädchen gab sich alle Mühe. In ihrem Kopf hatte sie genau ein Bild davon, wie das Endwerk aussehen sollte. Mit viel Liebe und Hingabe verwandelte sie dieses hässliche Etwas in ein kleines Kunstwerk. Überall hingen bunte Kugeln, kleine Engel und Lämpchen. Durch den  Schmuck fiel die kleinen zweige nicht mehr auf. Nun musste nur noch der große Stern befestigt werden. Da Ida zu klein war und sie ihren Vater nicht fragen wollte, bat sie die Mutter um Hilfe. Trotz der krummen Baumspitze, ließ sich der Stern problemlos befestigen. Irgendwie war diese krumme Spitze wie für diesen Stern gemacht. „Fertig“, sagte Ida. „Ist er nicht schön?! Das ist der schönste Weihnachtsbaum, den wir bisher hatten, genau so habe ich ihn mir vorgestellt“, sagte sie strahlend.
Die Mutter nahm sie liebevoll in den Arm und lobte sie, dass sie aus diesem Baum so einen schönen Weihnachtsbaum gemacht hat. Nun kam auch der Vater ins Zimmer und traute seinen Augen nicht. War das wirklich der hässliche Baum, den sie gekauft hatten?
„Gut gemacht“, lobte er seine Tochter und diese Worte aus seinem Mund zu hören machte sie sehr stolz.
„Nun wird es doch noch ein schönes Weihnachtsfest“, sagte sie mit strahlenden Augen. Als die Eltern ihre Tochter so glücklich sahen, wurde ihnen richtig warm ums Herz. Nun wussten auch sie, dass das diesjährige Weihnachtsfest etwas ganz Besonderes werden würde und so war es dann auch.
© Britta Kummer

Geschichte aus:
Weihnachten … und noch mehr
Taschenbuch: 60 Seiten
Verlag: Books on Demand; Auflage: 1 (2. Oktober 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3738645535
ISBN-13: 978-3738645538
Auch als E-Book erhältlich!

Britta Kummer ist Autorin. Sie schreibt Kinder-, Jugend- und Kochbücher, wurde in Hagen geboren und wohnt heute in Ennepetal. Inzwischen ist auch ein Buch zum Thema MS auf dem Markt. Ihr Buch „Willkommen zu Hause, Amy" wurde im Januar 2016 mit dem Daisy Book Award ausgezeichnet. Der Kärntner Lesekreis „Lesefuchs“ vergibt in unregelmäßigen Abständen diese Auszeichnung für gute Kinder- und Jugendliteratur. http://brittasbuecher.jimdo.com/